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Wissenswertes über unterschiedliche Notbremsassistenten

Bereits eine kleine Unaufmerksamkeit am Steuer kann zu einem Unfall führen. Im Stadtverkehr gehören Auffahrunfälle zum Verkehrsalltag. Gerade unter den verletzlichen Verkehrsteilnehmenden, bei Fussgängerinnen und Fussgängern sowie Radfahrenden, steigen die Unfallzahlen. Fahrerassistenzsysteme und Notbremsassistenten im Besonderen haben das Potenzial, derartige Unfälle zu verhindern oder deren Folgen zu minimieren.

Notwendiges Wissen über Notbremsassistenten
Ein Notbremsassistent ist ein vorausschauendes Fahrassistenzsystem, das den Fahrzeuglenkenden bei Gefahr warnt, eine Notbremsung unterstützt oder selbständig bremst. Fahrzeughersteller geben ihren Notbremsassistenten oftmals Eigennamen. Vor der Fahrt mit einem fremden Fahrzeug sollte man sich vergewissern, ob das Notbremssystem den gewünschten Umfang bietet.

Folgend einige Eigennamen von Notbremsassistenten:

  • Active City Stop (Ford)
  • City Safety (Volvo)
  • Collision Mitigation Brake System
  • (Honda)
  • iBrake/intelligent brake (BMW)
  • Front Assist (VW, Seat, Skoda)
  • Pre-Safe-Bremse (Daimler)
  • pre sense (Audi)
  • Predictive Safety System (Bosch)

Bremst der Fahrer nicht, bremst der Notbremsassistent: Ein Wunschtraum, der bei den wenigsten Autos ohne Einschränkung funktioniert! Unbestritten ist, dass der Notbremsassistent ein wichtiges Sicherheitssystem darstellt, um Unfälle zu vermeiden oder zumindest abzumildern. Welches Potenzial in Assistenzsystemen steckt, zeigen folgende Zahlen: Rund 90 % aller Verkehrsunfälle sind auf Fehler beim Fahrer zurückzuführen. Durch den flächendeckenden Einsatz von Notbremsassistenten liesse sich die Zahl der Unfallverletzungen im Strassenverkehr um rund 33 % senken (Quelle: ADAC). Seit 2015 gehören entsprechende Systeme in Lastwagen zu den gesetzlichen Vorgaben. Die Autohersteller rüsteten bis Anhin ihre Modelle noch freiwillig mit Assistenzsystemen aus. Ab dem 1.7.2022 müssen neue Wagentypen, ab 1.7.2024 alle PWs sowie leichte Nutzfahrzeuge mit einem hochentwickelten Notbrems-Assistenzsystem ausgestattet sein.

Grosse Unterschiede bei Ausbaustufen und Systemgrenzen
Je nach Ausbaustufe des Notbremsassistenten kommt es bei einer Gefahr nicht wie erwartet zu einer autonomen Notbremsung, sondern das System warnt lediglich vor einer Gefahr. Solche Systme sind technisch gesehen Kollisionswarner und nicht Notbremsassistenten. Bei einer nächsten Ausbaustufe wird neben der Warnung ein kurzer Bremsruck ausgelöst. Erst in der letzten Ausbaustufe bremst das Fahrzeug autonom bis zum Stillstand. In diesem Fall kann von einem autonomen Notbremsassistenten gesprochen werden.
Oft gibt es Einschränkungen im Geschwindigkeitsbereich und bei der Erkennungsdistanz. So schreibt z. B. Seat: «Die je nach Fahrzeug und Ausstattung erhältliche City-Notbremsfunktion ist Bestandteil des Überwachungssystems «Front Assist» und ist immer aktiviert, wenn dieses System eingeschaltet ist. Die City-Notbremsfunktion erfasst unterhalb von 30 km/h die Verkehrssituation vor dem Fahrzeug bis zu einem Abstand von ca. 15 m.» Konkret bedeutet dies, dass ab 30 km/h das System nicht mehr aktiv ist und eingreifen kann!

Wichtig: Vergewissern Sie sich, was Ihre Assistenzsysteme wirklich können und wo dessen Systemgrenzen sind.

So funktioniert ein Notbremsassistent
Notbremsassistenten arbeiten ähnlich wie Kollisionswarner. Mit Sensoren wird die Umgebung vor dem Auto überwacht. Eingesetzt werden dazu Kameras, Radarsysteme oder Lasersensoren. Damit lässt sich auch nachts oder bei Regen der Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmenden sowie auch die Geschwindigkeitsdifferenz ermitteln. Vernetzte Sensoren oder Kameras melden dem Bordcomputer, wenn sich der Abstand zu stehenden oder beweglichen Hindernissen verringert.

Erster Schritt: Droht eine Kollision, gibt das System eine deutliche Warnung an den Fahrer ab. Diese geschieht entweder durch ein akustisches Signal, eine Anzeige im Kombiinstrument oder beides.

Zweiter Schritt: Das System errechnet, wie stark das Fahrzeug bremsen muss, um einen Unfall zu verhindern. Sobald der Fahrer auf die Bremse tritt, baut der Assistent automatisch den nötigen Bremsdruck auf. Dies geschieht unabhängig davon, wie stark der Fahrer die Bremse betätigt.

Eine autonome Notbremsung, welche ohne Zutun des Fahrenden eingeleitet wird, setzt hochpräzise Technik voraus. Reagiert der Fahrer nicht auf die Warnungen (in der Regel wird mehrfach alarmiert), leitet der Notbremsassistent eine Notbremsung ein. Dadurch sollen Auffahrunfälle verhindert oder zumindest die Unfallschwere reduziert werden. Während anfänglich die Systeme nur andere Fahrzeuge erkannten, werden mittlerweile Fussgänger und Radfahrer erfasst. Einzelne Systeme erkennen sogar Tiere auf der Fahrbahn.

Merke: Nicht alle Notbremsassistenten arbeiten in jedem Geschwindigkeitsbereich und bei jeder beliebigen Distanz. Vor allem Systeme, welche einfachere und dadurch in der Regel günstigere Technik nutzen, funktionieren oft nur bis 30 km/h oder bei Stadt-Tempo. Diese werden von Herstellern oft als City-Notbremsassistent bezeichnet.

Wirkung unter verschiedenen Bedingungen
Der Notbremsassistent funktioniert nur dann einwandfrei, wenn alle Sensoren und Kameras freie Sicht haben. Im Strassenverkehr kann die Sicht z. B. durch Nebel, Regen, Schnee, Vereisungen am Fahrzeug oder durch Hinterlassenschaften von Vögeln beeinträchtigt werden. Natürlich sollen die Reifen und das Bremssystem alle gesetzlichen Bestimmungen erfüllen. Andernfalls kann der Notbremsassistent nicht präzis genug funktionieren. Die Reifen sollten eine Mindestprofiltiefe von 1,6 mm aufweisen. Experten empfehlen sogar 3 bis 4 mm Profiltiefe für eine optimale Bodenhaftung. Damit haften die Reifen auch bei Regen oder Schnee optimal.


Fazit zu Notbremsassistenten

  • Mit einem Notbremsassistenten lassen sich Unfälle verhindern – jedoch nicht komplett.
  • Notbremsassistenten können Kollisionen und deren Folgen jedoch abschwächen.
  • Nicht alle automatischen Bremssysteme funktionieren gleich gut.
  • Bei unabhängigen Tests wurden frappante Unterschiede zwischen einzelnen Fahrzeugen festgestellt.
  • Bevor Sie ein neues Auto benutzen, sollten Sie sich über die Qualität und die Ausbaustufe des Notbremsassistenten informieren.
  • Die Witterung hat einen grossen Einfluss auf Assistenzsysteme.
  • Basisinformationen zu Notbremsassistent und Kollisionswarner gehören in jede Aus- und Weiterbildung von Fahrzeuglenkenden.

 

Beitrag: Ravaldo Guerrini
Quellen: bfu/ADAC/Bosch
Bild: FL-Magazin 4/2021