Diese Fahrassistenzsysteme werden ab 1.7.2022 obligatorisch
Dank Fahrassistenzsystemen ereignen auf den Schweizer Strassen weniger Unfälle. In vielen Autos sind sicherheitsrelevante Assistenzsysteme noch nicht serienmässig verbaut. Genau das ändert eine neue EU-Verordnung, welche die Schweiz vollumfänglich übernimmt.
Ab Juli 2022 müssen alle in der EU neu zugelassenen Fahrzeugmodelle mit bestimmten Fahrerassistenzsystemen ausgestattet sein. Zwei Jahre später werden in der EU keine Fahrzeuge mehr neu zugelassen, welche nicht über diese Sicherheitssysteme verfügen.
Übersicht der bis 2026 geplanten Fahrassistenzsysteme
Notbremsassistent
Dabei handelt es sich um ein aktives, automatisiertes Sicherheitssystem, welches das Fahrzeug bei einer drohenden Kollision selbständig abbremst. Dadurch lassen sich Kollisionen verhindern oder deren Konsequenzen abmindern. Notbremsassistenten sind in der Schweiz für neu zugelassene Personen- und Lieferwagen über 3,5 Tonnen bereits heute vorgeschrieben; künftig sollten sie auch für sämtliche Personenwagen zur serienmässigen Ausstattung gehören. Studien zeigen, dass jeder zweite Fahrzeuglenker, jede zweite Fahrzeuglenkerin vor Auffahrunfällen zu zögerlich oder gar nicht auf die Bremse tritt. Die Häufigkeit von Auffahrunfällen liesse sich bei Fahrzeugen mit Notbremsassistenten (inkl. Frontalkollisionswarnern) potenziell um 38% bis 50% reduzieren.
Zeitpunkt der Einführung: Obligatorisch ab 7.2022 (neue Typen) bzw. 7.2024 (alle Pkws und leichten Nutzfahrzeuge). Eine Weiterentwicklung, welche Fussgänger und Velofahrer erkennt, wird ab 7.2024 (neue Typen) bzw. 7.2026 (alle Pkws und leichte Nutzfahrzeuge) obligatorisch.
Spurhalteassistent
Dieser unterstützt die Fahrerinnen und Fahrer dabei, das Fahrzeug in der Spur zu halten. Er greift aktiv in die Lenkung ein (ist übersteuerbar), wenn das Fahrzeug die Spur verlässt oder kurz davor ist, sie zu verlassen. Das Abkommen von der Fahrbahn wegen Ablenkung, Müdigkeit oder Blendung kann zu schweren Unfällen führen. Rund jeder zehnte solcher Unfälle liesse sich mit Spurhalteassistenten vermeiden.
Zeitpunkt der Einführung: Obligatorisch ab 7.2022 (neue Typen) bzw. 7.2024 (alle Pkws und leichten Nutzfahrzeuge).
Vorrichtung für eine Alkohol-Wegfahrsperre
Ebenfalls 2019 wurde der verpflichtende Einbau einer Vorrichtung für den Anschluss einer Alkohol-Wegfahrsperre für Neuwagen beschlossen. Ab 2022 ist diese obligatorisch. Verkehrssündern soll damit die Möglichkeit genommen werden, ihren Wagen zu starten, sofern sie unter dem Einfluss von Alkohol stehen. Vor dem Losfahren müssten diese in ein Röhrchen pusten.
Zeitpunkt der Einführung: Vorbereitung zum Einbau von Alcolock-System ab 7.2022 (neue Typen) bzw. 7.2024 (alle Fahrzeuge).
Unfalldatenspeicher
In der Richtlinie ist vom sperrigen Begriff der ereignisbezogenen Datenaufzeichnung die Rede. Ähnlich wie die Blackbox bei einem Flugzeug zeichnet das System vor und nach einem Unfall relevante Parameter auf. Das System zeichnet Geschwindigkeit, Verzögerung, Beschleunigung, Überschlag sowie diverse Fahrzeugfunktionen (Airbags, Licht, Blinker usw.) vor, während und nach einem Unfallereignis auf. Folgend einige Bemerkungen dazu:
- UN-Reglement im März 2021 verabschiedet, formales Inkrafttreten Ende 2021.
- Aufzeichnung von Unfalldaten, 5 Sekunden vor dem Ereignis bis Ende des Ereignisses.
- Daten verbleiben im Fahrzeug.
Zeitpunkt der Einführung: Obligatorisch für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge ab 7.2022 (neue Typen) bzw. 7.2024 (alle Pkws und leichten Nutzfahrzeuge). Obligatorisch für schwere Motorwagen ab 1.2026 (neue Typen) bzw. 1.2029 (alle schweren Motorwagen).
Notbremslicht
Diese "Lichtsignalfunktion" auch "adaptives Bremslicht" genannt, zeigt den anderen Verkehrsteilnehmern an, dass das vor ihnen fahrende Fahrzeug mit einer stärken Verzögerung abgebremst wird. Diese ist neben dem normalen Bremslicht, die zweite erlaubte Lichtart. Entsprechend blinken die Bremslichter in schneller Folge bei einer Verzögerung von über 6 m/s und Tempo jenseits von 50 km/h. Solange das ABS-System regelt blinken die Bremslichter weiter. Steht das Fahrzeug, schaltet sich die Warnblinkanlage dazu und das Bremslicht leuchtet dauerhaft. Ausgelöst wird das Notbremslicht über das Steuergerät, den Pedaldruck und das Betätigungstempo des Bremspedals.
Zeitpunkt der Einführung: Obligatorisch ab 7.2024 (neue Typen) bzw. 7.2026 (alle Fahrzeuge).
Müdigkeitswarner
Die EU schreibt hier nicht nur einen «hochintelligenten» Müdigkeitswarner, sondern auch ein Warnsystem bei nachlassender Konzentration vor. Der Technik-Background ist in der Verordnung nicht näher beschrieben, geht jedoch über die Einblendung einer Kaffeetasse alle zwei Stunden hinaus. Die Aufzeichnung von Augen- bzw. Lidbewegungen und/oder der Lenkbewegungen spielt bei dem System eine grosse Rolle. Diese Daten sollen kontinuierlich aufgezeichnet und vorgehalten werden. Allerdings dürfen sie nur in dem geschlossenen System verarbeitet und zu keiner Zeit an Dritte weitergegeben werden.
Zeitpunkt der Einführung: Obligatorisch ab 7.2024 (neue Typen) bzw. 7.2026 (alle Fahrzeuge).
Rückfahrassistent
Das System erkennt Passanten oder Hindernisse hinter dem Fahrzeug und bremst selbständig bei Erkennung von Objekten hinter dem Fahrzeug. Die Systeme basieren auf Sensorund/oder Kamera-Informationen.
Zeitpunkt der Einführung: Obligatorisch ab 7.2022 (neue Typen) bzw. 7.2024 (alle Fahrzeuge).
Schutz gegen Cyberangriffe
Das System schützt die Fahrzeuginformatiksysteme (Software) des Fahrzeugs vor Hackern.
Zeitpunkt der Einführung: Obligatorisch ab 7.2022 (neue Typen) bzw. 7.2024 (alle Fahrzeuge).
Fahrassistenzsysteme für Busse, Lastwagen und Gesellschaftswagen
Abbiegeassistenten
Abbiegeassistenten für Lkws und Busse können Unfälle vermeiden und Radfahrern sowie Fussgängern das Leben retten, da diese sich oftmals im toten Winkel des Lastwagens oder Bus befinden. Abbiegeassistenzsysteme sollen Lkw- und Busfahrern bei unübersichtlicher Verkehrslage unterstützen und gleichzeitig Fussgänger sowie Radfahrer schützen. Mittels optischer und akustischer Warnsignale warnen sie Fahrer von Bussen und Lkws, bevor es zu brenzligen Situationen kommt. Zeitpunkt der Einführung: Obligatorisch für schwere Motorwagen ab 7.2022 (neue Typen) bzw. 7.2024 (alle schweren Motorwagen).
Automatisierte Fahrzeuge
Ab dem 6.7.2022 gilt für automatisierte Fahrzeuge die EU-Typengenehmigungspflicht. Ab dem 7.7.2024 sind die folgenden Fahrassistenzsysteme für alle automatisierten Fahrzeuge obligatorisch:
- Systeme zur Überwachung der Fahrerverfügbarkeit;
- Systeme, welche anstelle des Fahrers die Überwachung des Fahrzeugs übernehmen;
- Systeme, die dem Fahrzeug Informationen zu seinem Zustand und seiner Umgebung liefern;
- Systeme zur Weitergabe von Sicherheitsinformationen an andere Verkehrsteilnehmer;
- Fakultativ, für schwere Motorwagen: elektronische Deichseln (Platooning).
Der rechtliche Rahmen für das automatisierte Fahren und die Nutzung weiterer Möglichkeiten der digitalen Welt im Mobilitätsbereich müssen geschaffen werden. Das ASTRA hat zu den anzupassenden Verkehrsregeln und Zulassungsfragen der Fahrzeuge und der Fahrerinnen oder Fahrer ein Konzept erarbeitet. Die dazu nötigen Anpassungen der betroffenen Rechtsgrundlagen wurden erarbeitet und in eine Revision des SVG integriert. Die SVG-Revision war bis Dezember 2020 in der Vernehmlassung. Diese Aktivitäten zielen darauf ab, die technologischen Entwicklungen bis zur Stufe 5 (vollautomatisiert) des automatisierten Fahrens in der Schweiz zu ermöglichen.
Motorräder
Ab 2017 ist ABS bei neuen Motorrädern in der EU und der Schweiz gesetzlich vorgeschrieben. Bei allen Motorrädern sowie Leicht-, Klein- und dreirädrigen Motorfahrzeugen muss das Abendlicht automatisch einschalten, wenn kein Tagfahrlicht vorhanden ist. Motorräder sind in der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 und den dazugehörenden delegierten Verordnungen geregelt. Abgesehen vom Antiblockiersystem bei Motorrädern mit einem Hubraum über 125cm3 sind für Motorräder zurzeit keine weiteren Fahrassistenzsysteme vorgeschrieben.
Weitere Informationen dazu finden Sie bei der ASTRA.
Online-Veröffentlichung: 30.05.2022
Beitrag: Ravaldo Guerrini
Quelle: ASTRA, bfu, ADAC