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Die praktische Führerprüfung der Zukunft

Die Fahrzeugtechnik wird stetig komplexer und aufgrund neuer Technologien auch anspruchsvoller. Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sind gefordert, den Lernenden die Systemgrenzen der unterschiedlichen Fahrerassistenzsysteme aufzuzeigen. Schlussendlich muss auch die Führerprüfung und ihr Lerninhalt angepasst werden.

Neue Herausforderungen kommen auf die Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer der jetzigen und neuen Generation
zu, denn die Fahrschulen der Zukunft setzen verstärkt auf computergestützte Bausteine wie z. B. Fahrsimulatoren und multimediale Lernhilfen. Auch E-Learning z. B. für den zukünftigen VKU wird propagiert und führt zu kontroversen Diskussionen, da der nachhaltige und wichtige Präsenzunterricht voraussichtlich reduziert und dadurch die Preise für den VKU weiter sinken würden. Mit Sicherheit werden sich die Aufgaben der Fahrlehrerschaft im Laufe der nächsten Jahre grundlegend ändern. Auch die Führerprüfung mit ihren Lerninhalten muss den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Unsere deutschen Nachbarn haben dies bereits bundesweit eingeführt. Es folgt ein Blick über die Grenzen.

Die praktische Prüfung wird digitaler und bietet mehr Transparenz
Im Jahr 2021 trat in Deutschland die optimierte praktische Fahrerlaubnisprüfung (OPFEP) in Kraft. Kernstück ist der neue Fahraufgabenkatalog, in dem alle sicherheitsrelevanten Anforderungen an die Fahrschüler erstmals vollständig zusammengefasst wurden. Der Katalog bietet fortan eine transparente Grundlage für die Bewertung der Fahrkompetenz. Davon profitieren vor allem auch die Bewerber. Zwar dauert die praktische Prüfung insgesamt 10 Minuten länger (mindestens 55 Minuten). Dafür erhalten die Fahrerlaubnisbewerber gleich nach der Prüfung eine detaillierte Rückmeldung und können die Prüfungsdokumentation via QR-Code sofort aufs Smartphone laden.

Für die OPFEP wurden der gesamte Fahraufgabenkatalog und die festgelegten Bewertungskriterien digitalisiert. Sie stehen dem Prüfer fortan während der Prüfung auf einem Tablet zur Verfügung. Katalog und Kriterien bilden für Fahrschüler, Fahrlehrer und Prüfer eine einheitliche und transparente Grundlage für die gesamte Ausbildung und für die Prüfung.

Die schnelle Auswertung macht die Prüfung transparent und der Bewerber bekommt sofort ein Feedback dazu, wie er gefahren ist. Dabei geht es nicht nur um die Fehler, sondern erstmals auch ausdrücklich um Lob, wenn Situationen besonders souverän gemeistert wurden. Die Vorteile der Digitalisierung liegen auf der Hand. Denn die erhobenen Daten sorgen nicht nur für Transparenz, sondern bieten viele Möglichkeiten, Ausbildung und Prüfung weiter zu verbessern.

Europaweite Mindestanforderungen für Ausbildung und Prüfung mit Assistenzsystemen
Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit wird ab 2022 nach der «General Safety Regulation» in jedem neuen Fahrzeugtyp und ab 2024 in jedem neu zugelassenen Fahrzeug eine Grundausstattung an elektronischen und digitalen Assistenzsystemen zur Pflicht (mehr erfahren). 

Die deutsche Bundesregierung hat mit ihrer «Strategie zum automatisierten und vernetzten Fahren» deshalb Leitlinien auf den Weg gebracht, um den Strassenverkehr der Zukunft zu gestalten. In Bezug auf die Fahranfängervorbereitung werden sowohl die manuelle Fahrzeugführung als auch die Nutzung von Fahrerassistenzsystemen als obligatorische Inhalte in der Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung berücksichtigt.

Wichtig ist, dass Fahrschülerinnen und fahrschüler lernen, mit und ohne Assistenzsysteme zurechtzukommen. Besonders junge Autofahrer und Autofahrerinnen sind nach der Fahrschule häufig auf günstige und ältere Autos angewiesen, die nicht mit den modernsten Systemen ausgerüstet sind. Wenn sie sich vorher in ihrer Ausbildung auf elektronische Unterstützung verlassen haben oder Assistenzsysteme nie benutzt haben, steigt das Unfallrisiko. In den Niederlanden dürfen schon heute alle Fahrerassistenzsysteme bis auf den Parkassistent benutzt werden, das Navigationssystem muss sogar bedient werden können. Künftig werden europaweit Minimalstandards für die Ausbildung und Prüfung mit Fahrerassistenzsystemen gelten. Fahrassistenzsysteme können zur Vermeidung von Unfällen beitragen, wenn ihre Funktionsweise klar und die Grenzen bekannt sind.

Automatikregelung bei der Führerprüfung
Auch im Bereich der gesetzlichen Regelung beim Führen eines Fahrzeuges mit Automatikgetriebe sind uns die deutschen Nachbarn einen Schritt voraus. Die sogenannte Automatikregelung besagt, dass Fahrschüler der Fahrerlaubnisklasse B ihre Ausbildung in einem Automatikfahrzeug absolvieren können und trotzdem später ein Auto mit Schaltgetriebe fahren dürfen. Dafür müssen sie nach der praktischen Grundausbildung mindestens zehn zusätzliche Fahrstunden (Unterrichtseinheiten à 45 Minuten) mit einem Fahrzeug mit Schaltgetriebe absolvieren und von der Fahrschule die Fahrtauglichkeit mit Schaltgetriebe schriftlich bescheinigen lassen. Die Fahrschüler müssen in einer mindestens 15-minütigen Testfahrt nachweisen, unter anderem beim Anfahren am Berg, beim Abbiegen, in Vorfahrtsituationen sowie mit einer umweltschonenden Fahrweise, dass sie ein Fahrzeug mit Schaltgetriebe beherrschen.
Weshalb das ASTRA diese die Verkehrssicherheit fördernde Handhabung der Automatikregelung in der Schweiz nicht eingeführt hat, bleibt unverständlich. 

Wie entwickelt sich die neue Führerprüfung in der Schweiz?
Die Schweiz als föderalistischer Staat verteilt die Macht auf Bund, Kanton und Gemeinden. Dies hat im Bereich des Strassenverkehrs insbesondere bei den Führerprüfungen zur Folge, dass nicht alle Kantone den genau gleichen Ablauf und auch die gleichen Gebühren bei den Fahrzeug- und Führerprüfungen aufweisen.

Auch in der Schweiz ist man sich in Fachkreisen einig, dass sowohl die theoretische wie auch die praktische Führerprüfung angepasst werden muss. Und dies nicht nur «kosmetisch», sondern grundlegend.

Bereits 2021 wurde eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitarbeitenden des ASTRA, SFV und asa, gebildet, die an der Definition und den Anforderungen für die Führerprüfung mit den neuesten FAS und hochautomatisierten Fahrzeugen arbeiten. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) empfiehlt dringend, die Fahrausbildung möglichst bald dem Stand der Technik anzupassen. Wer künftig Autofahren lernen will, soll auch im Umgang mit Fahrerassistenzsystemen und automatisierten Fahrzeugen geschult werden. Die Anforderungen an die Führerprüfung wie sie in den, «Richtlinien 7» festgehalten werden, sind nicht mehr zeitgemäss.

Zusatzfragen bei der Führerprüfung
Da von Seiten des ASTRA noch keine Anpassung wie zum Beispiel in Deutschland in Aussicht gestellt wurde, sind einige Kantone dazu übergegangen, an den Führerprüfungen der Kategorie B Zusatzfragen zu stellen oder «Zusatztätigkeiten» zu erfragen und diese zu prüfen.

Im ersten Teil der Führerprüfung stellt der Prüfungsexperte zum Prüfungsfahrzeug Fragen. Die Themen, die abgefragt werden können, sind bekannt, und es werden vier bis fünf Fragen aus den 100 Fragen gestellt. Fällt dem Fahrschüler ein Begriff nicht ein, kann es am Fahrzeug demonstriert werden. Zum Beispiel: Wenn mir der Begriff «Reifenindikator» nicht einfällt, kann ich dem Prüfungsexperte die entsprechende Stelle direkt an einem Reifen zeigen und erklären, woran ich erkenne, dass ich die Mindestprofiltiefe des Reifens noch nicht erreicht habe. Wie falsch beantwortete Fragen des Fahrschülers bei der Abfrage durch den Prüfungsexperten bewertet werden und ob bald alle Kantone die gleichen 100 Prüfungsfragen haben, hat das FL-Magazin bei Sven Britschgi, Geschäftsführer asa nachgefragt (siehe Interview).

Formulare werden digital
Bei der Führerprüfung wird in einigen Kantonen, ähnlich wie in Deutschland, ein digitaler Bericht des Prüfungsexperten nach der Führerprüfung abgegeben. Die Prüfungsbeanstandung in Papierform ist bereits bei einigen Kantonen ein Auslaufmodell.

Der Einsatz von Assistenzsystemen
Auf Anfrage des FL-Magazins bei verschiedenen kantonalen Strassenverkehrsämtern (2021) kann als Aussage zusammengefasst, folgendes festgehalten werden:

Fahrhilfen oder Fahrerassistenzsysteme dürfen an der Führerprüfung verwendet werden, sofern sie serienmässig im Auto verbaut sind oder vom Fahrzeughersteller als Option angeboten werden. Die Fahrhilfen/Fahrerassistenzsysteme sind jedoch ausschliesslich als Hilfsmittel zu verstehen und entbinden nicht vom korrekten Verhalten im Verkehr. Sofern solche Systeme an der Prüfung benützt werden, wird die korrekte und sichere Bedienung überprüft und bewertet. Für den Umgang mit Prüfungsfahrzeugen, die es technisch erlauben würden, mit der Autonomiestufe 3 (Hände nicht immer am Lenkrad) zu fahren, sind noch keine detaillierten Vorschriften bekannt, da es noch keine Berechtigung für den Einsatz hochautomatisierter Assistenzsysteme an der Führerprüfung gibt. Momentan gilt: Aussergewöhnliche Fahrhilfen sind nicht gestattet (Art. 88 Abs. 2 VZV). 

Als aussergewöhnlich gilt: Kopfstützen dürfen nicht entfernt werden. Moderne technische und elektronische Ausstattungen wie Tempomat, Parkdistanzkontrolle und Abstandswarner werden nicht als aussergewöhnliche Fahrhilfen im Sinne von Art. 88 Abs. 2VZV eingestuft. Prüfungsfahrzeuge mit derartigen Fahrhilfen sind an den Führerprüfungen zugelassen. 

Grundsätzlich steht einer einheitlichen und zeitgemässen Führerprüfung in der Schweiz nichts im Wege, doch in Bundesbern sind die Weichen für die Zukunft der Führerprüfung noch nicht definitiv gestellt. Somit werden womöglich die Kantone mit ihren innovativen Zusatzaufgaben die Richtung der zukünftigen Führerprüfung vorgeben.


Beitrag: Ravaldo Guerrini im FL-Magazin 2/22
Quellen: Dvr, Tüv, DEKRA,Deutscher Fahrlehrerverband
Bilder: auremar, stock.adobe.com

 

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