Interview mit Christian Säger, Projektleiter Revision Berufsbild Fahrlehrer/in SFV
FL-Magazin hat dem Projektleiter Christian Stäger zehn Fragen zum Meilenstein-Projekt «Revision Berufsbild Fahrlehrer:in» gestellt.
Auf was gründet das Projekt «Revision Berufsbild Fahrlehrer:in»?
Der Revisionsbedarf hat sich aus verschiedenen Gesichtspunkten ergeben und reicht weit zurück: Bereits im Jahr 2013 sind die separaten Prüfungsordnungen für Motorrad- und Lastwagenfahrlehrer: in erarbeitet worden. Sie sind aufgrund eines Entscheides des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen eines Einspracheverfahrens gegen die Prüfungsordnungen jedoch nie in Kraft gesetzt worden. Hier bestand also ein Handlungszwang. Jetzt ist beabsichtigt, alle Berufsrichtungen direkt in einer einzigen Prüfungsordnung zusammenzufassen.
So soll letztlich für jeden Abschluss ein eidg. Fachausweis erteilt werden können. Die Kompetenzen der Fachrichtungen sind im Rahmen der Revision analysiert und definiert worden. Insbesondere sollen heute fehlende, jedoch unerlässliche Inhalte wie die Organisation einer Fahrschule oder die Beratung der Kunden (betriebswirtschaftliche Aspekte sowie Marketing usw.) ergänzt werden. Zudem bietet die Revision die Möglichkeit, dass Inhaber altrechtlicher Fachausweise die neuen Fachausweise erleichtert erwerben können.
Weshalb war es wichtig, dieses Projekt zu lancieren, und was sind die grössten Unterschiede zu jetzt?
Wie erwähnt: Aufgrund der gutgeheissenen Einsprache gegen die Prüfungsordnungen für Motorrad- und Lastwagenfahrlehrer:in waren wir gezwungen, zumindest in diesem Bereich die Revision nochmals anzugehen. Hinzu kam dann, dass auch das Berufsbild Autofahrlehrer natürlich einem stetigen Veränderungsprozess unterworfen ist. Die Zeit ist in den letzten zehn, fünfzehn Jahren nicht stillgestanden. Im Gegenteil: Sogenannte Megatrends wie die Digitalisierung und die Automatisierung haben gerade in der Mobilitätsbranche Einzug gehalten und stellen damit auch ganz andere Anforderungen an die Fahrausbildung. Auch von daher hat sich eine umfassende Revision aufgedrängt. Diesem Umstand hat man Rechnung getragen und gleichzeitig das Berufsbild und die Prüfungsordnungen auch den neuen Herausforderungen der Berufsbildung generell angepasst.
Wichtige Änderungen
- In den bisherigen Modulen werden die Inhalte phasenweise erarbeitet und nach Abschluss der Modulprüfungen z. T. nicht mehr thematisiert. So findet zu wenig Verknüpfung der Inhalte mit der Praxis statt. Die neuen Module sind so jetzt gestaltet, dass sie teilweise gleichzeitig absolviert werden können. Zudem ist geplant, dass wichtige Kompetenzen im Rahmen einer Fallbearbeitung in der Abschlussprüfung geprüft werden.
- In den Ausbildungspraktika erteilen die Praktikanten oft Fahrunterricht, ohne von einem Fahrlehrer oder einer Fahrlehrerin begleitet zu werden. Die Praktika werden sehr unterschiedlich durchgeführt und dauern auch unterschiedlich lange. Aussagen, wonach die Praktika missbraucht würden, um Kandidierende, welche die Prüfung nicht bestanden haben, ohne Betreuung als Fahrlehrer:innen einzusetzen, oder dass Fahrschulen Praktikanten haben, um die Preise des Fahrunterrichts tief zu halten und andere Fahrlehrer zu konkurrenzieren, sind die Folge. Die neuen Module sollen geführte Praktikumsanteile enthalten, um das Gelernte direkt in die Praxis umzusetzen. Zudem soll der selbständige Praktikumsteil zeitlich limitiert werden.
- Kandidierende verfügen teilweise nicht über die nötigen Fahrkompetenzen. Daher soll künftig wieder eine Fahrkompetenzprüfung für alle Kategorien stattfinden.
- Heute führt der Weg zum Abschluss Motorrad- und Lastwagenfahrlehrer:in über den Abschluss Fahrlehrer:in Kat. B. Neu soll ein Direkteinstieg in jede Fachrichtung (neu auch Busfahrlehrer:in) möglich sein. Alle Fachrichtungen absolvieren Basismodule, in welchen wichtige Kenntnisse erworben werden, welche für die Ausübung des Berufes jeder Fachrichtung nötig sind. Wer bereits über einen Abschluss einer Fachrichtung verfügt und eine weitere Fachrichtung erwerben will, absolviert diese Basismodule nicht noch einmal.
- Die Fachmodule bauen auf den Basismodulen auf und dienen dazu, die für die gewählte Fachrichtung nötigen fachspezifischen Ressourcen zu ergänzen und diese in verschiedenen Übungs- und Praxissituationen anzuwenden.
Wie kann ein solch grosses Projekt finanziert werden und was wird das Projekt bis zur Einführung kosten?
Der Bund finanziert Revisionen mit einem festgelegten und beschränkten Betrag. Dieser beläuft sich für unser Projekt auf CHF 72 000.–. Aufgrund des Umfangs der Revision für die vier Fachrichtungen und damit die Fahrlehrer:innen aus der Praxis einbezogen und auch für ihren Aufwand entschädigt werden konnten, wurde zusätzlich ein Beitrag aus dem Berufsbildungsfonds beantragt. Das Revisionsprojekt, welches sich nun über fast drei Jahre erstreckt hat, soll bis zur Genehmigung der Prüfungsordnung mit einem Kostendach von CHF 350 500.– finanziert werden. CHF 250'000.– hiervon werden vom Berufsbildungsfonds übernommen, da es sich bei der Revision des Berufsbildes und der Erarbeitung der Prüfungsordnungen um ein Projekt Projekt handelt, welches dem gesamten Berufsstand dient. Die Kosten, welche später für die Erarbeitung der Prüfungsaufgaben und der Bewertungsinstrumente benötigt werden, werden dann über die Reserven der QSK finanziert. Wer ist die Trägerschaft des Projektes und welche Aufgaben und Pflichten hat sie erfüllt? Grundsätzlich sind schweizweit alle regionalen Fahrlehrerorganisationen zur Mitarbeit eingeladen worden, wobei gewisse bewusst auf eine Mitarbeit verzichtet haben. Die Trägerschaft besteht nun aus Regionalverbänden des SFV und der FRE. Im Rahmen von Plenarsitzungen haben die Verbände der Trägerschaft einerseits den Projetauftrag erteilt und andererseits regelmässig die Projektschritte genehmigt oder Korrekturen angebracht. Auch sind sie mittels Projektstatusbericht über den Fortschritt und die Finanzierung des Projekts informiert worden. Noch offen ist der Abschluss des Projekts, welcher voraussichtlich im Laufe dieses Jahres erfolgen wird.
Kannst du der Fahrlehrerschaft grob die einzelnen Schritte mit den Zwischenresultaten nennen?
- Vorabklärungen
- Klärung der Ausgangslage – Beitragsgesuch beim SBFI
- Erarbeitung des Tätigkeitsprofils
- Erarbeitung des Qualifikationsprofils
- Prüfungsordnung und Wegleitung erarbeiten
- Eignungsabklärung
- Prüfungsordnung und Wegleitung prüfen und einreichen
- Ausschreibung und Genehmigung
Was war für dich die schwierigste Projektphase, wo hast du am meisten Geduld gebraucht?
Als die Prüfungsordnung und die Wegleitung Anfang Januar 2021 beim SBFI eingereicht wurden, kam die Rückmeldung, dass die geplante Eignungsabklärung und die obligatorische Anerkennung von Modulanbietern nicht unterstützt werden. Dies mit der Begründung, dass diese Punkte gegen die Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes verstossen. Die diesbezüglichen Klärungen und die damit verbundene Überarbeitung der Dokumente haben viel Zeit in Anspruch genommen und das Projekt verzögert.
Was hat dir bei diesem Projekt am meisten Freude bereitet?
Die Erarbeitung des Kompetenzprofils und der Modulidentifikationen im Rahmen von Arbeitsgruppen mit Vertreter:innen der Branche, der Modulanbieter, der Verbände und der QSK waren stets sehr konstruktiv und interessant. Insgesamt war die Zusammenarbeit mit allen am Projekt beteiligten Personen erfreulich, sei es in der Projektgruppe, der Projektsteuerungsgruppe oder mit Partnern. Es konnten viele wichtige Inhalte und Schritte auf eine kooperative und teils auch kreative Art realisiert werden. Auch das ASTRA zeigte sich für die nötigen Anpassungen in der Fahrlehrerverordnung sehr kooperativ. Insgesamt dürfen wir festhalten, dass es effektiv ein Gemeinschaftsprojekt ist, welches breit getragen wird.
Weshalb ist das Projekt noch nicht eingeführt worden?
Aktuell befinden sich die Prüfungsordnung und die Wegleitung immer noch beim SBFI zur Genehmigung. Die nötigen Anpassungen sowie die Klärungsgespräche bezüglich Eignungsabklärung und Anerkennung der Modulanbieter haben das Projekt verzögert. Auch erwarten wir noch die Vernehmlassung über die Anpassungen in der Fahrlehrerverordnung, welche nötig sind, damit die vier neuen Fachrichtungen schlussendlich auch zu entsprechenden Fahrlehrerbewilligungen führen.
Was sind deine nächsten Projekte für die Fahrlehrerschaft?
Die Revision wird mit dem Inkrafttreten der Prüfungsordnung noch nicht abgeschlossen sein. So werden wir innerhalb der QSK neue Prüfungsaufgaben und Prüfungsbewertungsinstrumente entwickeln müssen. Auch wird die Organisation der neuen Prüfungen, welche zu einem grossen Teil dezentral stattfinden werden, noch einiges an Planungsarbeiten mit sich bringen. Weitere anstehende Arbeiten sind beispielsweise:
- Einführung neuer Prüfungsexpert:innen
- Weiterbildung für alle Prüfungsexpert:innen
- Digitalisierung der Prüfungsbewertung
- Vorgehen mit der Anerkennung von Modulzertifikaten im Zusammenhang mit den Prüfungszulassungen
- Einführung der Tests zur Überprüfung der Fahrkompetenz aller Kategorien
Was ist dir noch wichtig, allen Fahrlehrer:innen der Schweiz mitzuteilen?
Allen Fahrlehrer:innen und weiteren Personen, welche sich in irgendeiner Form an der Projektarbeit beteiligt haben, danke ich herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit. Sie haben einen grossen und wichtigen Beitrag für die Zukunft der professionellen Fahrausbildung geleistet. Ja, ein Anliegen, welches mich persönlich in letzter Zeit beschäftigt, gibt es noch. Mit dem Revisionsprojekt konnte die Zusammenarbeit mit vielen regionalen Verbänden und insbesondere zwischen dem SFV und der FRE gefördert werden. Es ist ein gegenseitiges Vertrauen gewachsen, welches die Einheit der Branche vorantreiben wird. Es hat sich gezeigt, dass der Konsens vieles ermöglicht und gute Lösungen hervorbringt. Leider haben dies immer noch nicht alle verstanden. Einige versuchen ihr «Sonderzüglein» zu fahren und ihre Eigeninteressen über das Gesamtinteresse des Berufsstandes zu stellen. Damit schaden sie der Fahrlehrerschaft und letztlich auch der Verkehrssicherheit, welche sie zu vertreten vorgeben, enorm. Ich wünsche mir, dass die gesamte Branche vermehrt die gemeinsame Vertretung der Interessen auf kantonaler und insbesondere nationaler Ebene anerkennt und nach Möglichkeit unterstützt.
Online-Veröffentlichung: 11.03.2022
Interview geführt durch Ravaldo Guerrini
Bilder: Ravaldo Guerrini
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