Mythos Wasserstoffantrieb
Neue Technologien sorgen immer wieder für Unsicherheit, bis die Angst den Fakten weicht. Wir widerlegen eine Auswahl gängiger Mythen zur Wasserstoffmobilität.
Bei Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb wird aus Wasserstoff elektrischer Strom gewonnen. Dies geschieht in einer im Fahrzeug verbauten Brennstoffzelle. Die so gewonnene Energie treibt via Elektromotoren das Fahrzeug an. Ein wasserstoffbetriebenes Auto ist also ein Elektroauto, bei dem die Stromproduktion an Bord erfolgt. Die einzige lokale Emission ist Wasserdampf.
Brennstoffzellen sind gefährlich, Wasserstoff kann explodieren
In einem Vergleichstest wurden ein mit Benzin und ein mit Wasserstoff angetriebenes Auto angezündet. Das benzinbetriebene Fahrzeug stand nach kurzer Zeit in Vollbrand und wurde rasch zu einem ausgebrannten Wrack. Beim wasserstoffbetriebenen Vehikel hingegen schoss kurz eine sehr grosse Stichflamme aus dem Hochsicherheitstank, doch diese erlosch rasch wieder. Das Auto war danach weitgehend unversehrt.
Fazit: Moderne Fahrzeuge mit einem Wasserstofftank sind nicht weniger sicher als jene mit einem Diesel- oder Benzintank.
Wasserstoffantrieb ist ineffizient
Moderne Brennstoffzellen erreichen (gemäss Forschungsergebnissen des Daimler-Konzerns) einen Wirkungsgrad von 83 Prozent. Das gesamte Fahrzeug erzielt damit einen Wirkungsgrad von rund 50 Prozent. Das ist deutlich mehr als diesel- oder benzinbetriebene Fahrzeuge, die auf 45 oder 35 Prozent kommen. Besser als alle schneiden Elektroautos ab. Sie können einen Wirkungsgrad von 90 Prozent vorweisen. Verluste gibt es hier beim Schnellladen – dann bleiben nur noch rund 75 Prozent übrig. Betrachtet man die Effizienz von der Energiequelle bis zum Antrieb über die gesamte Lebensdauer der Fahrzeuge, gibt es keine einheitliche Meinung. Mal liegt der Batterieantrieb, mal die Brennstoffzelle vorn.
Fazit: Wasserstoff ist ein effizienterer Energieträger als zumeist angenommen.
Zu wenige Tankstellen
Es gibt derzeit bereits sieben Wasserstofftankstellen in der Schweiz und die Zahl wächst weiter (siehe Grafik). Im April hat beispielsweise Avia ihre dritte Wasserstofftankstelle in Geuensee im Kanton Luzern eröffnet. Agrola hat Ende 2020 eine Wasserstofftankstelle in Zofingen/AG eingeweiht. Im laufenden Jahr wollen verschiedene Betreiber schweizweit noch vier weitere Wasserstofftankstellen errichten. Nächstes Jahr ist die Eröffnung von acht neuen Wasserstofftankstellen vorgesehen. Die Auslastung der Tankstellen ist vor allem dank immer mehr mit Wasserstoff angetriebener Lastwagen sehr gut. In der Schweiz sind mittlerweile rund 40 solcher Fahrzeuge unterwegs. Bis 2025 sollen es weit über 1000 Stück sein.
Fazit: Das Tankstellennetz wächst rasch.
Wasserstoff verflüchtigt sich
Früher war das tatsächlich so. Heute ist das anders. Aktuelle Brennstoffzellenautos haben stärker ausgelegte Drucktanks, in denen der Wasserstoff bei Raumtemperatur gasförmig bleibt und nicht mehr abgelassen werden muss. Die Tanks sind dadurch zwar schwer, aber es gibt keine nennenswerten Standverluste mehr.
Fazit: Wasserstoff im Tank bleibt im Tank.
Tanken ist umständlich
An einer Wasserstofftankstelle wird der spezielle Tankstutzen mit dem Fahrzeug verbunden. Wie bei herkömmlich angetriebenen Autos dauert das Betanken lediglich drei bis fünf Minuten. Der Tankvorgang ist somit kürzer als bei Elektroautos.
Fazit: Dank der kurzen Tankzeit hat Wasserstoff an der Tankstelle keine Nachteile zu herkömmlichen Kraftstoffen, jedoch einen Vorteil gegenüber E-Fahrzeugen.
Geringe Reichweite
Kürzlich haben zwei wasserstoffbetriebene PW neue Reichweitenrekorde aufgestellt. Ein serienmässiger Hyundai Nexo fuhr mit einer Tankfüllung Wasserstoff rund 890 Kilometer weit. Wenig später gelang Toyota mit der wasserstoffbetriebenen Limousine Mirai eine Strecke von 1003 Kilometern mit nur einer Tankfüllung. Laut Toyota wurden keine speziellen Techniken eingesetzt.
Fazit: Autos mit Wasserstoffantrieb erreichen Reichweiten, die vergleichbar sind mit jenen mit fossilen Brennstoffantrieben.
Online-Veröffentlichung: 30.10.2021
Beitrag: Werner Kirschbaum aus FL-Magazin 3/201
Quelle: NZZ
Bild: Toyot