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Neuerungen beim Führerausweisentzug

Im 2023 treten diverse Neuerungen im Strassenverkehr in Kraft. Welche Auswirkungen auf den Beruf Fahrlehrer:in haben diese? Das FL-Magazin nimmt zwei Neuerungen, die nicht nur Fahrlehrer:innen tangieren, genauer unter die Lupe.


Raschere Verfahren bei entzogenen Führerausweisen
Um die Dauer der Verfahren zu verkürzen, werden in der Strassenverkehrskontrollverordnung (SKV) und in der Verkehrszulassungsverordnung (VZV) neu bestimmte Fristen festgelegt.

Ausnahmen beim Führerausweisentzug wegen leichten Widerhandlungen für Berufsfahrerinnen und -fahrer
Um das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes zu minimieren, können die Entzugsbehörden Personen während eines Führerausweisentzugs wegen einer leichten Widerhandlung Fahrten bewilligen, die zur ihrer Berufsausübung notwendig sind. Die Rechtsauskunft für diesen Bericht hat Dr. iur. Peter Loher zusammengefasst.

Raschere Verfahren bei entzogenen Führerausweisen

1. Einleitung
In Umsetzung von zwei parlamentarischen Motionen hat der Bundesrat am 22. Juni 2022 mehrere Änderungen der Verordnungen vom 28. März 2007 über die Kontrolle des Strassenverkehrs (SKV; SR 741.013), vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51) sowie vom 28. September 2007 über die Zulassung von Fahrlehrern und Fahrlehrerinnen und ihre Berufsausübung (FV; SR 741.522) beschlossen.
Die neuen Verordnungsbestimmungen treten am 1. April 2023 in Kraft und bringen wichtige Änderungen beim Führerausweisentzug mit sich. Sie betreffen einerseits das Verfahren beim (polizeilichen sowie vorsorglichen) Führerausweisentzug (vgl. nachfolgend 2.) und schaffen andererseits Ausnahmen beim Führerausweisentzug in leichten Fällen für Berufsfahrerinnen und -fahrer (3.). Der vorliegende Text gibt einen ersten Überblick über ausgewählte Aspekte der Revision.

2. Polizeilicher und vorsorglicher Führerausweisentzug

A. Überblick über das geltende Recht

Art. 54 Abs. 3 und 4 SVG ermächtigen die Polizei, einer Person unter bestimmten Voraussetzungen den Führerausweis auf der Stelle abzunehmen (polizeilicher Führerausweisentzug). Dieser polizeiliche Führerausweisentzug hat – bis zum Entscheid durch die zuständige Entzugsbehörde – dieselben Wirkungen wie ein «gewöhnlicher» Entzug (Art. 54 Abs. 5 SVG). Führt daher z. B. eine von einem polizeilichen Führerausweisentzug betroffene Person gleichwohl ein Motorfahrzeug, macht sie sich nach Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG strafbar.

Vorausgesetzt für einen Entzug «auf der Stelle» ist entweder eine Fahrunfähigkeit (Art. 54 Abs. 3 SVG) oder eine «grobe Verletzung wichtiger Verkehrsregeln», welche den Führer als «besonders gefährlich» in Erscheinung treten lässt (Art. 54 Abs. 4 SVG). Konkretisiert werden diese Entzugstatbestände in Art. 31 Abs. 1 (Fahrunfähigkeit) bzw. Abs. 2 (Verletzung von Verkehrsregeln) SKV. Danach ist z. B. der Tatbestand der groben Verletzung wichtiger Verkehrsregeln dann erfüllt, wenn eine Person die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um mehr als 30 km/h überschreitet (Abs. 2 lit. a).

Die Problematik derartiger polizeilicher Führerausweisentzüge liegt auf der Hand: Erstens erfolgen sie ohne eingehende Prüfung des Sachverhalts, eben «auf der Stelle», und zweitens ist die Polizei grundsätzlich für den Entzug von Führerausweisen gar nicht zuständig, sondern vielmehr die jeweilige kantonale (Verwaltungs-) Behörde. Art. 54 SVG stellt daher die gesetzliche Grundlage dafür dar, dass die Polizei ausnahmsweise hierzu berechtigt ist. Es kommt schliesslich – drittens – hinzu, dass der polizeiliche Führerausweisentzug nach wohl herrschender Ansicht ein sog. Realakt ist, also keine Verfügung im juristischen Sinn, was eine Anfechtung – zurückhaltend ausgedrückt – massiv erschwert.

Das Gesetz sieht aus diesen Gründen vor, dass von der Polizei abgenommene Ausweise «sofort» der zuständigen Entzugsbehörde zu übermitteln sind, welche wiederum «unverzüglich» über das Schicksal des Führerausweises zu entscheiden hat (Art. 54 Abs. 5 SVG). Was diese Begriffe genau bedeuten, ist im geltenden Recht nicht geregelt. Das führte in der Praxis teils zu Konstellationen, in denen einem Betroffenen der Führerausweis wochenlang polizeilich – das heisst ohne (anfechtbaren) Entscheid – entzogen blieb. Das ist insbesondere dort ein Problem, wo sich in der Folge herausstellt, dass überhaupt nie ein Grund für einen Entzug bestanden hat. Beispiel: Einem sichtlich alkoholisierten Lenker, dem noch nie eine Administrativmassnahme verfügt worden ist, wird der Führerausweis von der Polizei auf der Stelle entzogen. Die Staatsanwaltschaft ordnet eine Blutprobe an. Das rechtsmedizinische Gutachten liegt drei Wochen später vor mit dem Resultat: 0,7 Gewichtspromille. In diesem Beispielsfall war dem Lenker der Führerausweis drei Wochen ungerechtfertigt entzogen (vgl. Art. 16a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 16a Abs. 2 SVG). 

Soweit die kantonale Entzugsbehörde in der Folge den polizeilichen Entzug «aufrechterhält», dürfte dies in erster Linie durch vorsorglichen (Sicherungs-)Entzug geschehen. Denn nur in wenigen Fällen wird es möglich sein, das Verfahren innerhalb der kurzen Zeit bereits mit einer definitiven Massnahme (z. B. Warnungsentzug) abzuschliessen. «Schulbeispiel» ist etwa der Fahrzeuglenker, der mit über 1,6 Gewichtspromille von der Polizei angehalten wird. Diesem wird der Ausweis auf der Stelle abgenommen (Art. 54 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 lit. a VZV) und die kantonale Behörde wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen vorsorglichen Entzug verfügen (gleichzeitig mit der Anordnung einer Fahreignungsabklärung; vgl. Art. 15d Abs. 1 lit. d SVG; Art. 30 VZV). Dieser Entzug bleibt in der Folge bis zum Abschluss des Massnahmenverfahrens aufrecht, was – je nach Konstellation – durchaus Monate oder gar Jahre dauern kann. Eine periodische Überprüfung des Vorsorgeentzugs kennt das geltende Recht nicht.

B. Neuerungen per 1. April 2023
Gemäss den am 1. April 2023 neu in Kraft tretenden Bestimmungen Art. 33 Abs. 5 und 6 VZV sind nun unter gewissen Voraussetzungen Ausnahmen zum Gesagten möglich. Insbesondere kann einer Person nach neuem Recht bewilligt werden, trotz bzw. während eines Führerausweisentzugs zu fahren, sofern dies zur Berufsausübung notwendig ist. Der abgeänderte Art. 28 FV stellt klar, dass dies insbesondere auch für die Fahrlehrerschaft gilt. Würde es sich also im eben gemachten Beispiel (Geschwindigkeitsübertretung um 17 km/h) um einen Fahrlehrer handeln, so könnte die kantonale Behörde gestützt auf die neuen Bestimmungen in der Entzugsverfügung festlegen, dass der Fahrlehrer während des Entzugs z. B. trotzdem praktischen Fahrunterricht erteilen darf.

Die Voraussetzungen für derartige «Ausnahmefahrten» während eines Führerausweisentzugs sind allerdings restriktiv. Vorausgesetzt ist erstens eine leichte Widerhandlung, zweitens kein dauerhafter Entzug und drittens dass der fraglichen Person der Ausweis in den vorangegangenen fünf Jahren nicht mehr als einmal entzogen war (vgl. Art. 33 Abs. 5 VZV). Damit scheiden insbesondere Fahrten zur Berufsausübung während eines Führerausweisentzugs infolge mittelschwerer oder schwerer Widerhandlung von vornherein aus. Da die Bestimmung eine «Kann-Formulierung» aufweist, ist sodann anzunehmen, dass kein eigentlicher «Anspruch» auf Ausnahmen besteht, sondern der Behörde Ermessen zusteht, ob und in welchem Ausmass sie derartige Berufsfahrten während eines Entzugs zulässt. Es wird sich zeigen, wie die Bestimmung in der Praxis letztlich gehandhabt werden wird.

4. Kurzwürdigung
Die Neuerungen sind zu begrüssen, vor allem die Normierung einer Frist betreffend den Entscheid über das Schicksal eines polizeilich entzogenen Führerausweises. Die Ausnahme betreffend Berufsfahrten ist im Grundsatz ebenfalls zu begrüssen, namentlich auch aus Sicht der Fahrlehrerschaft, wobei die Voraussetzungen jedoch sehr restriktiv sind. Insbesondere bei mittelschweren oder schweren Widerhandlungen sind keine «Ausnahmefahrten» möglich, womit der Anwendungsbereich der Bestimmung beschränkt ist.
 

 

Online-Veröffentlichung: 23.3.2023
Beitrag: Dr. Peter Loher
Bild: SwissLegal AG